Samstag, 23. April 2016

Rezension | "Die Tuchvilla" von Anne Jacobs

Goldmann | eBook | 704 Seiten | 15. Dezember 2014 | 978-3641144562

"Es gibt Augenblicke im Leben, da muss man allen Mut zusammennehmen und sein Herz festhalten. Weil man nur so ein großes Ziel erreichen kann." // Seite 482


Reihenfolge der "Tuchvilla"-Saga

Die Tuchvilla (1)
Die Töchter der Tuchvilla (2)
Das Erbe der Tuchvilla (3)

  
(Verlagsseite)

Ein Herrenhaus. Eine mächtige Familie. Ein dunkles Geheimnis …
Augsburg, 1913. Die junge Marie tritt eine Anstellung als Küchenmagd in der imposanten Tuchvilla an, dem Wohnsitz der Industriellenfamilie Melzer. Während das Mädchen aus dem Waisenhaus seinen Platz unter den Dienstboten sucht, sehnt die Herrschaft die winterliche Ballsaison herbei, in der Katharina, die hübsche, jüngste Tochter der Melzers, in die Gesellschaft eingeführt wird. Nur Paul, der Erbe der Familie, hält sich dem Trubel fern und zieht sein Münchner Studentenleben vor – bis er Marie begegnet …

(Verlagsseite)

Anne Jacobs veröffentlichte unter anderem Namen bereits erfolgreich historische Romane und exotische Sagas. Mit Die Tuchvilla erfüllt sie sich einen lange gehegten Wunsch und gestaltet ein Familienschicksal vor dem spannenden Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte.


I. Augsburg, Herbst 1913 | 12 Kapitel
II. Dezember 1913 | 10 Kapitel
III. Winter 1914 | 9 Kapitel
IV. Frühjahr 1914 | 7 Kapitel
V. April 1914 | 6 Kapitel
VI. Mai 1914 | 9 Kapitel
VII. Juni 1914 | 3 Kapitel


"Die Tuchvilla" hat stark angefangen, gegen Ende aber nachgelassen.

Der Einstieg war sehr interessant. Uns wurde Marie, die Protagonistin, vorgestellt, die ihre neue Stelle in der Tuchvilla in Augsburg antritt und dabei wurden ihre Umstände und die neue Umgebung genau beschrieben. Die Hintergrundgeschichte der Protagonistin schien hierbei recht geheimnisvoll zu sein und das Potential für komplexe Entwicklungen und Erzählungen zu bieten, vor allem, als eine der Angestellten des Hauses voraussagte, Marie werde Unheil bringen...
Zudem gab es Kapitel über die beiden Töchter der Herrschaft, Elisabeth und Katharina, und später auch den Sohn Paul. Diese Kapitel waren durchaus interessant, da sie einen anderen Blick auf die Situation ermöglicht und die anderen Figuren vorgestellt haben, aber meiner Meinung nach hat die Autorin sich hier durchaus einiger Klischees bedient. So ist Elisabeth etwas beleibter und leidet darunter, im Schatten ihrer attraktiven, etwas naiven Schwester zu stehen. Zudem ist sie durchaus intrigant, während Katharina und auch Marie als liebreizend und gut dargestellt werden. Zwar gibt es durchaus Momente, in denen Elisabeth sympathisch ist und Katharina macht ihre Fehler, aber dennoch fand ich diesen deutlichen Kontrast zwischen den Schwestern wenig originell. Natürlich kommt es vor, dass Geschwister wie Feuer und Wasser sind, aber das ließe sich auch anders darstellen. Auch Marie hätten mehr Ecken und Kanten nicht schaden können. Sie wird gelegentlich als "hochmütig" und "aufsässig" dargestellt und ihre Kollegen sind nicht alle von ihr angetan, aber sie zieht keine wirklichen Nachteile daraus. Hier war durchaus mehr Konfliktpotential vorhanden, dass die Autorin hätte ausschöpfen können.

Paul... ist für mich schwer zu beurteilen. Einerseits ist er mir durchaus sympathisch und mir gefällt seine Einstellung zu vielen Punkten, aber mich hat sehr gestört, wie er mit Marie umgegangen ist, nachdem sie seinem Werben nicht nachgibt. Er reagiert wie ein typischer verwöhnter Junge, der es gewohnt ist zu bekommen, was er will. Dabei wirkt er wie ein schmollendes Kind und er bemitleidet sich selbst sehr; zudem wird er fast schon gehässig, es wirkt teilweise fast so, als wollte er Marie bestrafen. So schlägt er beispielsweise vor, sie könnte nach seiner Heirat mit einer anderen Frau für ihn arbeiten und seine Kinder betreuen. Natürlich verstehe ich, dass sein Stolz verletzt wurde und er auch leidet, da sie seine Gefühle nicht zu erwidern scheint, aber dennoch fand ich sein Verhalten unmöglich und ich wollte danach nicht mehr wirklich, dass die beiden zusammen kommen.
Vermutlich sehe ich das zu eng und messe dem zu viel Bedeutung bei, aber es hat mich wirklich gestört. Deshalb hat mir der Anfang des Buches auch besser gefallen... gegen später nahmen die einzelnen romantischen Verwicklungen mehr Raum ein und da keine der Beziehungen mich wirklich interessierte, war die Geschichte für mich nicht unbedingt spannend.

Auch, dass die historischen Hintergründe nicht wirklich eine Rolle spielen, fand ich schade. Der Alltag und die Umstände der Bediensteten und der Fabrikarbeiter wurden gut beschrieben und auch das Vokabular war der damaligen Zeit angepasst (so wird eine Frau, die in Ohnmacht fällt, beispielsweise als "fallsüchtig" bezeichnet), aber die Ereignisse der Zeit werden nur am Rande erwähnt. Das ist zwar nicht weiter schlimm, weil die Geschichte auch so gut funktioniert, aber ich hätte es trotzdem schön gefunden. In Band zwei scheinen die historischen Ereignisse dann mehr Bedeutung zu haben, vor allem der Erste Weltkrieg, was definitiv ein Grund wäre, diesen Band zu lesen.

Zur Handlung selbst gibt es nicht wirklich viel zu sagen. Wie durch die Benennung der einzelnen Abschnitte ersichtlich wird, spielt die ganze Geschichte innerhalb eines Jahres. In dieser Zeit gibt es einige Veränderungen, aber auch ganz alltägliches Leben und die Autorin hat beides sehr gut dargestellt. Der Schreibstil lässt sich angenehm lesen, sodass auch die recht detaillierten Beschreibungen interessant und (für mich) keineswegs langweilig waren. Gut gefallen hat mir auch, dass scheinbar unwichtige kleine Szenen später im Buch wieder zu neuer Bedeutung gelangten. Gerade in Bezug auf Maries Hintergrundgeschichte war es, als würden verschiedene Puzzleteile nach und nach an ihren Platz fallen.
Gegen Ende hat sich dann alles ein wenig gezogen und der stärkere Fokus auf der Romanze zwischen Marie und Paul hat mir nicht zugesagt, aber der Abschluss selbst hat mir ganz gut gefallen, obwohl es ein bisschen zu glatt war - ein typisches Friede, Freude, Eierkuchen-Ende eben. Das ist nicht unbedingt etwas schlechtes, aber auch hier gab es einiges an Konfliktpotential, das doch recht schnell abgehandelt wurde, was etwas enttäuschend war.


"Die Tuchvilla" ist insgesamt ein gutes Buch, das durch die etwas klischeehaften Darstellung der Charaktere und einen für mich zu großen Fokus auf einer Romanze, an der ich nicht (mehr) interessiert war, an Potential verliert, das durch eine verstärkte Einarbeitung der historischen Hintergründe und ernsteren Problemen hätte genutzt werden können. Dennoch habe ich mich aber bei der Lektüre gut unterhalten und trotz aller Kritik gab es mehrere interessante Handlungsstränge.

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Herzlichen Dank
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